Noe Viola Tanaka Korf

 

Mein Filmfestival

Kulturelle Vielfalt auf der Leinwand

Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg ist ein Ort der Begegnungen und Erkenntnisse

Mit einem Regisseur unter vier Augen über einen Film sprechen? Das kann man beim Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg, einem der berühmtesten Filmfeste in Deutschland. Dieses Festival ist nicht nur für Hollywoodstars, sondern auch für Filmemacher aller Generationen weit geöffnet. Dort finden viele Veranstaltungen statt, die Regisseure, Schauspieler und alle Filmliebhaber verbinden. Ich habe mich für den Kurs beworben, weil ich die Erwartung hatte, dass ein internationales Filmfestival in Deutschland, einem Land, in dem viele Menschen mit verschiedenen kulturellen, ethnischen und religiösen Hintergründen leben, mein Verständnis für unterschiedliche Kulturen vertiefen wird. Und tatsächlich hat das Filmfestival mir vielfältige kulturelle Erlebnisse geschenkt, die ich gleich beschreiben werde.

 
Meine Filme

Ich habe mich für die Darstellung anderer Kulturen interessiert und habe daher zunächst die Filme ausgewählt, die mehrere kulturelle Hintergründe haben oder ein solches Thema behandeln. Das waren „Perfect Days“, ein japanischer Film, der von dem deutschen Regisseur Wim Wenders gedreht wurde, „Omen“ (Augure) von dem im Kongo geborenen belgischen Regisseur Baloji, und „Delegation“ von Asaf Saban, der schildert, wie eine israelische Schülergruppe die nationalsozialistischen Vernichtungslager in Polen besucht. Die anderen Filme habe ich nach den Erklärungen auf der Website ausgewählt, die mein Interesse geweckt haben. Am ersten Tag des Filmfestivals habe ich mir zwei Boxerfilme angesehen, „Jagd nach Millionen“ (Body and Soul) und „Day of the Fight“. Der erste Film wurde im Jahr 1947 veröffentlicht und der zweite dieses Jahr. Die beiden Filme am selben Tag anzuschauen, hatte ich nicht geplant, aber es war sehr interessant, die Unterschiede festzustellen. Zum Beispiel waren die Darstellung der Gefühle und Emotionen in den Boxerfilmen jeweils komplett anders. Man konnte deutlich sehen, wie sich die Filmtechnologie und die Schauspielmethoden in diesen 75 Jahren entwickelt haben. Ansonsten habe ich den bosnischen Film „Excursion“ (Ekskurzija) angeschaut, der eine Teenagerin darstellt, die sich immer tiefer in ihre Lüge verstrickt, und „Hit Man“, eine schwarze Komödie aus Amerika, sowie „Hopeless“ (Hwaran), einen koreanischen Gangsterfilm. „Excursion“ war einer der schwieriger zu verstehenden Filme, da die Lüge der Hauptfigur nicht nachvollziehbar war. „Hit Man“ dagegen war einer der wenigen Filme im Filmfestival, die mich zum Lachen gebracht haben. Es war sehr erfrischend zu sehen, wie die Hauptfigur, die am Anfang anständig war, am Ende ihren Sinn für Ethik und Gerechtigkeit verlor, obwohl das Ende als ein Happy End bezeichnet werden kann. „Hopeless“ war einer der Filme, die immer im Kopf hängen bleiben, weil er nicht nur sehr düster und brutal ist, sondern gleichzeitig so gut gemacht, dass ich auch mit den Schmerzen der Hauptfigur mitfühlen musste.

Mein Lieblingsfilm: „Perfect Days“

Mein Lieblingsfilm ist „Perfect Days“. Das ist ein japanischer Spielfilm von Wim Wenders aus dem Jahr 2023. Der Regisseur Wim Wenders ist einer der weltberühmten deutschen Regisseure, der Filme wie „Paris, Texas“, „Der Himmel über Berlin“ sowie weitere weltweit bekannte Werke gedreht hat. Der Hauptdarsteller ist Koji Yakusho, ein in Japan sehr berühmter Schauspieler, der im Kino, Theater und Fernsehen tätig ist. Für seine Leistung in „Perfect Days“ hat er den Preis für den besten Darsteller (Prix d’interprétation masculine) bei den jährlich veranstalteten Filmfestspielen von Cannes gewonnen.

Der Film handelt von einem Mann namens Hirayama, der als Toilettenreiniger in Tokio arbeitet. Er scheint mit seinem Leben zufrieden zu sein und geht sehr professionell mit seiner Arbeit um. Sein Alltag ist sehr strukturiert und regelmäßig. Er steht früh auf, um zur Arbeit zu gehen, und außerhalb seiner Arbeit badet er, isst in seinem Lieblingslokal und widmet seine Freizeit der Musik, dem Lesen und seinen kleinen Pflanzen (Bonsai). Auch das Fotografieren des raschelnden Blätterdachs der Bäume in der Mittagspause gehört dazu. Im Verlauf des Films ereignen sich einige unerwartete Geschehnisse, die seinen regelmäßigen Alltag ein wenig stören, jedoch gleichzeitig auch lebendige Elemente in sein Leben bringen. Nachdem alle Ereignisse vorüber sind, fühlt er die tiefe Einsamkeit.

Kaum Worte, dennoch viele Emotionen

Mich hat das Thema der Darstellung der Gefühle am meisten berührt. Die Hauptfigur spricht in dem Film kaum, übermittelt jedoch viele Emotionen durch ihren Gesichtsausdruck. Es gibt Filme, in denen viel gesprochen wird, und manchmal hat der Inhalt der Gespräche nicht einmal richtige eine Bedeutung. Aber in diesem Film gibt es kaum Worte, und trotzdem kann man sich richtig in die Geschichte hineinversetzen. Als Japanerin mochte ich die zurückhaltende Darstellung der Gefühle, da sie auch unsere Kultur und den Charakter der Hauptfigur gut widerspiegelt.

Ich finde den Film auch ausgezeichnet, weil man den Respekt für die japanische Kultur, die dem Regisseur und dem Filmteam zunächst fremd gewesen sein mag, an allen Stellen spüren kann. Das ist der Grund, warum „Perfect Days“ mein Lieblingsfilm ist, und ich möchte das Thema im Vergleich zu zwei anderen Filmen, „Omen“ und „Delegation“, vertiefen. Ich finde auch diese beiden Filme sehr beeindruckend, aber hinsichtlich der Darstellung anderer Kulturen finde ich, dass sie noch nicht genug verfeinert sind. Daher möchte ich zunächst die Darstellung von Kultur in den beiden Filmen untersuchen und anschließend diesen Aspekt bei „Perfect Days“ beschreiben.

Die Darstellung anderer Kulturen in „Perfect Days“, „Omen“ und „Delegation“

„Omen“ ist der einzige Film, von dem ich etwas enttäuscht war. Wie bereits erwähnt, hat der Regisseur einen Hintergrund aus dem Kongo, ist jedoch in Belgien aufgewachsen. Meine Erwartung vor dem Film war, dass ich als jemand, der sich nicht so gut mit afrikanischer Kultur auskennt, eine neue Perspektive gewinnen oder ein neues Erlebnis durch den Film haben kann. Leider war das nicht der Fall. Im Film wurden die Menschen aus Afrika als abergläubische, fremdenfeindliche und primitive Masse dargestellt. Die Lösung der Hauptfigur und ihrer Familie bestand darin, Afrika zu verlassen. Es war für mich sehr bedauerlich, dass der Film keine neuen oder positiven Eindrücke vermittelt hat, sondern Vorurteile verstärkt hat, die viele Menschen bereits haben. Auch die Darstellung der Menschen aus Afrika als eine Masse, in der alle etwas dramatisch und merkwürdig sind, war für mich eine vorschnelle Verallgemeinerung. Wenn der Film eine bestimmte kulturelle Gruppe in Afrika dargestellt hätte, hätte ich den Film vielleicht besser verstehen können. Doch dass alle dargestellten afrikanischen Personen auf solche Weise gezeigt wurden, empfand ich als jemand aus einer nicht-europäischen Kultur als bedauerlich.

„Delegation“ ist ein Film, der sowohl geschichtliche als auch zeitgenössische Themen behandelt. Für mich war es sehr interessant zu sehen, wie sich die jüdisch-israelischen Schüler mit den Juden, die im Konzentrationslager umgebracht wurden, auseinandersetzen, da in Japan nicht häufig über religiöse Themen gesprochen wird. Die Art und Weise, wie die Jugendlichen während der Reise nach Polen ihre Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte und Ängste entwickeln, hat mich sehr beeindruckt. Es erschien mir jedoch etwas merkwürdig, als eine Schülerin einfach einen aus dem Konzentrationslager gestohlenen Schuh in einem anderen Konzentrationslager ablegte. Auch dass die beiden Hauptfiguren im Konzentrationslager begannen zu kämpfen, erschien mir etwas rätselhaft. Mir war nicht klar, ob sich der Film explizit mit der Geschichte auseinandersetzen möchte oder ob er die Geschichte nur als Hintergrund nutzen möchte. Die Geschichte des Holocaust ist für mich ein sehr sensibles Thema, und auch wenn die jüdisch-israelischen Schüler eine Beziehung zu den Opfern haben, finde ich nicht, dass es zu einfach behandelt werden sollte.

Ein Film mit Liebe und Respekt für die japanische Kultur

Im Vergleich zu den beiden genannten Filmen hat „Perfect Days“ es in meinen Augen geschafft, die fremde Kultur ohne Vorurteile und mit viel Respekt darzustellen. Als Hirayama zum Beispiel in ein Kamerageschäft ging und ohne viele Worte einkaufte, haben viele Zuschauer gelacht. Für mich war es nicht so witzig, weil es für mich vorstellbar war, trotzdem hat es mich auch gefreut, dass die japanische Kultur, die auch als merkwürdig empfunden werden kann, als etwas dargestellt wurde, das positive Gefühle hervorruft. Alle Orte wie das Sento (Badehaus), Restaurants im U-Bahnhof und die Figuren weckten in mir Sehnsucht nach Japan, und ich konnte die positiven Seiten Japans, die mir zuvor nicht bewusst waren, wahrnehmen. Ich finde es großartig, dass der Film nicht nur Japaner, sondern auch Nicht-Japaner berührt hat. Wenn ich den Film weiterempfehlen würde, würde ich bestimmt sagen, dass der Film mit Liebe und Respekt für andere Kulturen gedreht und die japanische Kultur mit wenigen Worten ausgezeichnet darstellt wurde.

Meine Veranstaltungen

Ich habe an drei Veranstaltungen teilgenommen. Das waren die „Opening Night“, die Lesung „Feuerwanzen lügen nicht“ und die „Award Ceremony“. Die Lesung hat mich am meisten beeindruckt. Sie fand im Rahmen des „Kinderfilmfests“ statt und richtete sich an das jugendliche Publikum, damit sie viele Erfahrungen und Entdeckungen im Kino machen können. Bei der Lesung war eine große Schulgruppe aus der 7. Klasse anwesend, und ich fand es interessant, wie die Schriftstellerin Stefanie Hölfer mit den Kindern umgegangen ist. Sie ist selbst beruflich Lehrerin, und man konnte spüren, dass sie den Kindern eine gute Erfahrung ermöglichen möchte. Sie verband die Lesung mit vielen Interaktionen mit den Kindern und einer moralischen Lehre. Es war beeindruckend, wie sie erzählte, dass sie sich in Büchern nur mit Themen aus dem Alltag beschäftigt, weil sie denkt, dass im Alltag genügend spannende Dinge passieren. Ebenso hat sie sehr ehrlich mit den Kindern gesprochen und gemeint, dass sie als Kind immer wieder kleine Lügen erfunden hat, um ihren Alltag spannender zu gestalten. Sie meinte, dass man alles ausprobieren sollte, was der eigene Instinkt einem sagt, und ihre Lesung hat den Kindern bestimmt eine gute Erfahrung gebracht.

Die Begegnung mit Kim Chang-hoon hat mich begeistert

Außerhalb der geplanten Veranstaltungen hat mich die Begegnung mit Kim Chang-hoon, dem Regisseur des Films „Hopeless“ sehr begeistert. Da er mir durch die Interview-Session bei dem Film bekannt war, habe ich ihn nach der „Award Ceremony“ angesprochen. Als ich ihn persönlich getroffen habe, hat er auf mich einen anderen und entspannteren Eindruck gemacht als zuvor vor dem Publikum. Trotz der kurzen Zeit haben wir uns über unsere Lieblingsfilme unterhalten, und es hat mich auch gefreut, dass ich mit ihm auch auf Koreanisch (das ich seit Kurzem als Hobby lerne) kommunizieren konnte.

Zusammen mit dem Regisseur Kim Chang-hoon

 
Ich fühlte mich als Teil des Festivals

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass das Erlebnis des Besuchs des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg meine Erwartungen erfüllt hat. Nicht nur die Filmschaffenden waren sehr aktiv, sondern auch das Publikum, und dass ich mich als Teil der gesamten Veranstaltung fühlen konnte, ist eines der großen Merkmale dieses Festivals. Ebenso, wie oben erwähnt, werde ich mich weiterhin mit dem Thema der Darstellung (fremder) Kulturen beschäftigen. Als jemand, der römische Geschichte studiert und sich um unverbundene Menschen oder Kulturen in der zeitgenössischen Welt kümmert, finde ich es sehr wichtig, meine Perspektiven und Positionen bewusst zu sein und Neutralität zu wahren. In vielen Filmen des Filmfestivals konnte man die einzigartige Weltanschauung, Werte und kulturellen Hintergrund des Regisseurs erkennen, was nicht immer neutral war, aber auch deshalb mich viel zum Nachdenken gebracht hat. Ich glaube, dass die kulturellen Anregungen, die ich durch dieses Filmfestival erhalten habe, viele Auswirkungen darauf haben werden, wie ich während meines Auslandsstudiums in Deutschland mit unterschiedlichen Kulturen und Werten umgehen sollte.

 

Über mich

Ich bin Noe Viola Tanaka Korf. Da ich in einem japanisch-deutsch kulturell gemischten Haus aufgewachsen bin, finde ich es immer interessant, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Ich hatte bisher keine tiefe Beziehung zu Filmen, jedoch wenn ich mir welche anschaue, dann wähle ich gerne solche aus, die zeitgenössische soziale Themen darstellen. Zum Beispiel gehören zu meinen Lieblingsfilmen „Er ist wieder da“ oder „The Crucible (oder auf Koreanisch도가니 Dogani)“.