Agata Kaczmarek

 

Mein Filmfestival

Wie ich meine Komfortzone verlassen habe

Ich habe nie in meinem Leben gedacht, dass ich an einem Filmfestival teilnehmen werde. Wenn auch nur als Zuschauer. Ich, IT-Spezialist nach Wahl und Charakter. Aber ich habe. Und jetzt kann ich sagen, es war eine tolle Erfahrung für mich! Ich habe acht verschiedene Filme gesehen und auch an ein paar Veranstaltungen teilgenommen. Was mir zuerst einfällt, wenn ich jetzt an das Festival denke, sind zwei Gedanken: die unfaire Fußballweltmeisterschaft in Katar und die Lotterie zur Einreise in die USA.

Ich habe den Filmkurs gewählt, weil ich auf interessante Weise, aber auch praktisch Deutsch lernen wollte. Ich dachte, wir würden deutsche Filme sehen und besprechen, und das Filmfestival wäre nur ein kleiner Teil unserer Erfahrung. Zwar habe ich hier nicht so viel Deutsch geübt, wie ich wollte (da die Mehrheit der Festivalveranstaltungen auch auf Englisch war), aber die Erfahrung war einzigartig.

Meine Filme

Während des Festivals habe ich acht verschiedene Filme gesehen. Die Auswahl war nicht so schwer. Ich habe eine Liste von meinen Anforderungen erstellt - einschließlich, dass die Filme nicht traurig und nicht abstrakt sein und die Vorführzeiten sich nicht mit meinen anderen Unterrichtsterminen überschneiden sollten. Auch wollte ich die Filme bevorzugt in den Heidelberger Spielstätten sehen. Die Filme, die ich gesehen habe, sind: „Day of the Fight“, „Perfect Days“, „Only the River Flows“, „Hit Man“, „Following the Sound“, „The Red Suitcase“, „Upon Entry“ und „Südsee“.

Von diesen acht Filmen mag ich zwei sehr, drei finde ich interessant und drei mag ich nicht. Am Anfang möchte ich meine Meinung begründen, warum „Day of the Fight“, „Only the River Flows“ und „Südsee“ nicht auf meiner Favoritenliste stehen. Der erste Film, „Day of the Fight“ erzählt die Geschichte von einem Boxer mit schlechter Vergangenheit - Alkohol, Drogen, Schuldiger eines Autounfalls (nach Drogen), bei dem er ein Kind getötet hat und so weiter. Wir können den Tag über beobachten, was er alles macht, um sich von den Sünden der Vergangenheit zu befreien. Für mich ist der Film brutal, vorhersagbar und naiv – er zeigt, dass man alles am letzten Tag reparieren kann. Ich verstehe, dass es besser ist, ein bisschen Gutes zu tun, als nichts zu tun, aber man kann nicht alles so schnell und einfach reparieren.

Der zweite Film war auch nicht mein Fall - „Only the River Flows“ ist ein Krimi, was ich normalerweise mag, aber das ist ein sehr schwarzer Krimi. Es gibt Korruption bei der Polizei, die das Rätsel eigentlich lösen sollte.  Das Rätsel ist kompliziert und schwer zu lösen.  Das sagt der mit diesem Fall befasste Kommissar. Doch gibt es laut seinem Chef nur eine Lösung. Er befasst sich nicht direkt mit dem Fall, geht aber davon aus, dass es sich bei dem Täter um einen psychisch kranken Mann handelt.  Er hat dafür keine Beweise, hält diesen Mann jedoch nur wegen seiner Krankheit für schuldig. Die wahre Lösung erfahren wir nicht, die Zuschauer sollen selbst die Antwort finden.

Normalerweise wäre "Südsee" ein interessanter Film für mich. Aber die aktuelle Lage in Gaza und Israel, wo viele unschuldige Menschen sterben, lassen mich nicht sagen, dass mir dieser Film gefallen hat. Zwar wird darin der Nahostkonflikt nicht direkt verhandelt, aber bestimmte Themen im Zusammenhang mit diesem Konflikt wurden von den Charakteren im Film diskutiert. Bei einem Gespräch mit der Regisseurin wurde sie gefragt, ob sie diesen Film in der aktuellen Situation noch einmal drehen würde. Sie sagte, absolut nicht. Ich stimme ihr zu, da ein solcher Film in der aktuellen Situation möglicherweise schlecht wahrgenommen wird.

Außerdem gab es drei Filme, die ich interessant genannt habe. Das sind die zwei japanischen Filme: „Perfect Days“ und „Following the Sound“ und der amerikanische Film „Hit Man“.

Ich genoss die Leichtigkeit und Komik von "Hit Man"

"Hit Man" war ein interessanter und lustiger Film. Zwar gab es einige ermordete Menschen, aber man konnte das nicht fühlen. Der Film handelt von einem Philosophielehrer, der nach dem Unterrichten undercover bei der Polizei arbeitet. Am Anfang ist er ein idealer Bürger, doch am Ende des Films wird er zum Bösewicht. Aber es geschieht auf so absurde Weise, dass man gar nicht anders kann, als ihn zu mögen. Ich würde sagen, dass es ein Film ist, den man als leichte Komödie bezeichnen kann. Natürlich kann man auch philosophische Aspekte des Films analysieren, doch ziehe ich es vor, einfach die Leichtigkeit und Komik des Films zu genießen.

"Perfect Days" -  ein Film über selbstlose Hilfe und Frieden

Zwei andere für mich sehr interessante Filme waren die japanischen Produktionen  „Perfect Days“ und „Following the Sound“. Beide erzählen über die Einsamkeit, aber auf verschiedene Weise. „Perfect Days“ von Wim Wenders handelt von einem zirka fünfzigjährigen einsamen, aber auch glücklichen Mann, der in Tokio wohnt und dort seiner Arbeit als Toilettenputzer nachgeht. Er ist präzise, freundlich und höflich. Wir können langsam sein Leben beobachten. Obwohl viele sagen könnten, dass der Film zu langsam ist, war es für mich nicht so. Dank dieser Geschwindigkeit konnte ich das Leben in Japan besser kennenlernen. Beispielsweise wusste ich zwar vorher, dass man in Japan auf der linken Straßenseite fährt, aber das war das erste Mal, dass ich es wirklich beobachten konnte. Und die größte Überraschung für mich: Autobahnauffahrten sind auch links, nicht rechts wie bei uns! Abgesehen von solchen kleinen Überraschungen des Alltags könnte man sich „Perfect Days“ als einen Film über selbstlose Hilfe und Frieden ansehen.

Koji Yakusho und Arisa Nakano in "Perfect Days"

Während man die beiden japanischen Filme sieht, kann man ich über die Realität um uns herum und die Einsamkeit nachdenken. Filme, die Probleme ansprechen, die uns am Herzen liegen, die wir nicht immer bemerken oder von denen wir denken, dass nur wir sie haben.

Die zwei besten, aber nicht lustigen Filme waren „Upon Entry“ und „The Red Suitcase“.

"Upon Entry" -  Ein seelenloses System stellt zu private Fragen

Dieser von Alejandro Rojas inszenierte Film „Upon Entry“ erzählt die Geschichte von einem Ehepaar, das aus Spanien nach den USA umziehen möchte. Sie fliegen nach Newark, wo sie nur einen Zwischenaufenthalt haben. Leider geht nicht alles gut. Die Frau kommt aus Spanien und hat die „Greencard” in der Lotterie gewonnen. Ihr Mann kommt ursprünglich aus Venezuela, und das ist der Anfang von Problemen. Zollbeamte werfen ihm vor, eine Scheinbeziehung zu führen, um ein Visum für die USA zu bekommen. Sie vernehmen das Paar in einem separaten Raum und haben viele Fragen. Nicht nur prüfen sie, ob das Ehepaar weder Drogen noch andere verbotene Sachen hat. Sie stellen auch sehr intime Fragen über ihre Beziehung. Nach vielen Stunden fast ohne Essen und Trinken (und die Frau ist Diabetiker), mit sehr vielen Fragen sind die Menschen sehr müde. Ihre Beziehung steht aufgrund der Fragen der Zollbeamten kurz vor dem Scheitern. Am Ende des Films ist die einzige Sache, die sie jetzt wollen, nach Hause zurückzufahren. Und dann kommt die Antwort: Willkommen in den USA. Warum? Das weiß man nicht. Keine Ahnung, welche Antworten korrekt waren, welche nicht. Oder war vielleicht der Humor der Zöllner ausschlaggebend? Ein seelenloses System stellt zu private Fragen, die das Leben unschuldiger Menschen ruinieren. Die Menschen, die sich nur ihre gemeinsamen Träume vom Leben in den USA erfüllen wollen. Am Ende des Films bleibt nur noch die Frage: warum? Warum glauben Zollbeamte, dass sie das Recht haben, unschuldigen Menschen eine solche Hölle zu bereiten? Weil es ihnen Spaß macht?

Mein Lieblingsfilm: „The Red Suitcase”

Mein Lieblingsfilm war „The Red Suitcase“, der schockierendste und mich am meisten zum Nachdenken anregende Film des Festivals. Dieser Film wurde von Fidel Devkota geschaffen und im Jahr 2023 in Nepal und Sri Lanka gedreht. Die Darsteller*innen waren: Saugat Malla, Bipin Karki, Prabin Khatiwada und Shristi Shrestha.

Der Hauptheld des Films ist ein Paketzusteller in Nepal. Fast jeden Tag kommt eine wichtige Lieferung in Nepal an und muss schnell und gut an die angegebene Adresse geliefert werden. Dieses Mal ist es ein roter Koffer und ein großes Paket aus dünnem Holz. Der Film erzählt über den ganzen Weg der beiden Pakete zurück nach Hause. Warum fahren sie nach Hause zurück? Schließlich erfahren wir, dass das große Paket aus dünnem Holz, das zusammen mit dem Koffer kommt, eigentlich ein Sarg ist. Er enthält die Leiche eines nepalesischen Staatsbürgers, der im Ausland gestorben ist. So wie viele andere Särge, die täglich am Flughafen in Kathmandu ankommen. Wie ist das möglich? Dieser Film verweist auf die Vorbereitungen für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, bei denen tausende Einwanderer, darunter auch aus Nepal, auf den Baustellen ums Leben kamen. Und dass der gestorbene Arbeiter in dem Film in einer billigen Holzkiste anstatt in einem richtigen Sarg nach Nepal zurückgeschickt wird, drückt für mich den würdelosen Umgang mit diesen Menschen aus, die Achtlosigkeit und Inhumanität der Absender des Pakets.


Das ist mein Lieblingsfilm des Festivals. Es war nicht nur ein Film über die interessanten Traditionen und das Leben in Nepal, es war für mich mehr. Das war eine richtige Geschichte. Eine schockierende Geschichte, die zeigt, wie wenig das menschliche Leben für manche Menschen bedeutet. Und doch hat jeder von uns nur eines. Und jedes Leben bedeutet Familie, Träume, Wünsche, Erinnerungen, Erlebnisse und viele andere Dinge, die in diesem Fall zurückkommen, eingeschlossen in einem roten Koffer. Diesen Film würde ich mit Worten weiterempfehlen: eine brutale und unfaire Geschichte zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar.

Meine Veranstaltungen

Während des Festivals habe ich an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen. Ich war bei der „Opening Night” des Festivals, dem Forum „Film Fusion” und der „Award Ceremony”. Das Beste war die Award Ceremony. Es gab sechs Preise für die Filme der „newcomers“-Kategorie. Meine große Enttäuschung war, dass „The Red Suitcase“ keine Preise bekommen hat. Sonst war alles sehr gut. Die Begründungen der Komitees für die Wahl eines bestimmten Films waren sehr interessant. Dank dieser Ceremony habe ich die Entscheidung getroffen, „Upon Entry“ zu sehen. Nach der Ceremony gab es die Gelegenheit zum Gespräch mit Regisseuren, Schauspielern und Komiteemitgliedern und sehr gut aussehendes und schmackhaftes Essen. Mit der Professionalität, mit der das alles organisiert wurde, habe ich nicht gerechnet.

Ein wertvoller Schritt aus meiner Komfortzone heraus

Zusammenfassend war das Filmfestival eine große Überraschung für mich. Ich habe so eine Professionalität nicht erwartet. Einige Filmen waren sehr gut, und ich werde mich noch lange an sie erinnern. Es war für mich ein wertvoller Schritt aus meiner Komfortzone heraus. 

 

Über mich

Ich heiße Agata Kaczmarek und komme aus Warschau, Polen. Ich studiere Datenwissenschaft an der Technischen Universität Warschau. In Heidelberg bin ich für ein Semester für einen Erasmus Austausch. Ich interessiere mich für Künstliche Intelligenz.