Nao Higashiguchi

 

Mein Filmfestival

Ein Highlight meines Austauschjahres in Deutschland!

Ich war zu Beginn des Filmfestivals sehr neugierig, weil ich noch nie auf so einem Filmfestival gewesen war. Wir haben am ersten Tag des Festivals an der Opening Night teilgenommen. Die Teilnehmenden waren eine bunte Gesellschaft, und die Atmosphäre war sehr spannend. Politiker wie der Oberbürgermeister aus Mannheim und ein Staatssekretär des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg waren auch da. Sie haben erwähnt, dass die Kunst in dieser Zeit unverzichtbar sei. Ich war von der Rede persönlich sehr beeindruckt, weil ich der gleichen Meinung bin. Die Filme, die in diesen 11 Tagen gezeigt wurden, waren vielfältig und stammten aus verschiedenen Ländern. Trotzdem beschrieb jeder Film die Probleme der Gesellschaft und die Gefühle der einzelnen Menschen so, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer diese Geschichten unabhängig von dem Unterschied der Sprachen und der Herkunft nachvollziehen konnten. Meiner Meinung nach ist das ein wichtiges Merkmal des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg.

Meine Filme

Ich habe während des Festivals insgesamt 10 Filme gesehen. „Day of the Fight”, „Jagd nach Millionen” (Body and Soul), „Without Air” (Elfogy a levegő), „Perfect Days”, „Following the Sound” (Kanata no uta), „Omen” (Agure), „Delegation“ (Ha'Mishlahat), „Family Portrait“, „Evil Does Not Exist“ (Aku wa Sonzai Shinai) und „Südsee“. Sie behandeln unterschiedliche Themen wie Zensur, Einsamkeit, die Kritik gegen Kapitalismus, Naturzerstörung und so weiter. Es gibt hauptsächlich zwei Gründe, warum ich diese 10 Filme ausgewählt habe. Ich interessiere mich dafür, wie Künstlerinnen und Künstler mit der realen Welt umgehen und die gesellschaftlichen Probleme als Motiv ihrer Kunst ans Licht bringen.

„Delegation“ behandelt zum Beispiel den Holocaust und zeigt, wie sich jüngere Menschen aus Israel heute mit der Vergangenheit ihrer Vorgeneration beschäftigen. Der Film fokussiert sich eher auf die Gegenwart als auf die Vergangenheit und beschreibt die Liebe der Schülerinnen und Schüler. Der Regisseur hat nach dem Film bemerkt, dass er in diesem Film die Individualität darstellen wollte. In diesem Film besuchen die Schülerinnen und Schüler aus Israel das Konzentrationslager in Polen und sehen tausende Schuhe der Menschen, die im Konzentrationslager getötet worden sind. Es gibt eine interessante Szene, in der die Protagonistin aus tausenden Schuhen einen Schuh nimmt. Der Schuh gehörte wahrscheinlich einer jüngeren Frau wie ihr. Sie kann durch den Schuh nicht die kollektive Erinnerung, sondern das individuelle Leben der Frau erfahren.

Es gibt so viele Filme wie „Delegation“, die politische und historische Themen behandeln. „Without Air“ ist einer davon. Die Handlung des Films ist zwar fiktiv, aber er basiert auf einer wahren Begebenheit, die in Rumänien passiert ist. Dem Film ist es gelungen, den Lehrerinnen und Lehrern eine Stimme zu geben, die wegen der Zensur unter Druck stehen.

„Südsee“ behandelt den Konflikt zwischen Palästina und Israel. Der Film zeigt nicht nur israelische Personen, sondern auch die Bauarbeiter aus Palästina und die Bomben von der israelischen Seite. Es war sehr interessant für mich, dass die Regisseurin in diesem Film weder Israel noch Palästina kritisiert, sondern die reale Situation an der Grenze zeigt. Ich habe das Gefühl, dass sie die beiden Seiten repräsentiert.

Die Kunst, Verhältnisse aus verschiedenen Perspektiven darzustellen

Es ist meiner Meinung nach schwer, Konflikte und Verhältnisse zwischen Menschen aus verschiedenen Perspektiven darzustellen. Trotzdem haben die Regisseurinnen und Regisseure der Filme, die ich gesehen habe, versucht, eine Polarisierung zu verhindern, indem sie möglichst viele Denkweisen zeigen. „Evil does not exist“ schildert die Konflikte zwischen Bewohnern eines Dorfes und den Arbeitern der Firma, die aus einem wirtschaftlichen Grund das Dorf kaufen will, auch aus beiden Perspektiven.

In Bezug auf die Interkulturalität war es sehr interessant für mich, die Filme aus verschiedenen Ländern zu sehen. Ich habe während des Festivals zum ersten Mal einen Film aus dem Kongo gesehen. „Omen“ repräsentiert die Gegenwart von Afrika, und der Film war sehr extravagant. Der Film zeigt die Gegenwart von Afrika aus den europäischen und afrikanischen Perspektiven. Ich fand es interessant, wie ein Mann, der lange in Europa gewohnt hat, seine Heimat, den Kongo, empfindet. Es schien mir, dass es für ihn schwieriger als für seine europäische Freundin ist, sich wieder an die afrikanische Kultur anzupassen.

Im Festival habe ich drei japanische Filme geschaut. Es war sehr interessant, japanische Filme in Deutschland zu sehen. „Perfect Days“ zeigt die Stadt Tokio und die Realität in Japan sehr genau. Die Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer waren auch interessant. Sie haben überrascht darauf reagiert, dass der Protagonist im Film Nudeln saugte. (In Japan ist es normal, Nudeln zu saugen, aber es ist in Deutschland unhöflich.) Das ist nur ein Beispiel des Kulturschocks. Durch die Reaktion der Zuschauer habe ich erfahren, dass etwas, was ich bisher für normal gehalten habe, in anderen Ländern nicht normal sein muss.

Mein Lieblingsfilm: „Perfect Days“

Koji Yakusho und Arisa Nakano in "Perfect Days"

Zudem möchte ich über „Perfect Days“ noch mehr erzählen, weil es mein Lieblingsfilm geworden ist. Der Regisseur ist Wim Wenders aus Deutschland, und der Hauptdarsteller heißt Koji Yakusho, der einer der beliebtesten Schauspieler in Japan ist. Der Film behandelt das Alltagsleben eines Mannes, der als Toilettenreiniger arbeitet. Der Regisseur habe, wie er in einem Interview ausdrückt, Sehnsucht nach dem Leben des Protagonisten, Hirayama. Sein Leben scheint aber eintönig und monoton, deswegen hat der Kameramann des Films, der als Gast im Kino war, geäußert, dass man für den Film Geduld brauche, weil er nur sein Alltagsleben zeigt. Aber der Film war gar nicht langweilig, und ich brauchte keine Geduld dazu. Ich habe mich 124 Minuten ganz auf den Film konzentriert. Hirayamas Leben ist, wie der Kameramann gesagt hat, monoton und eintönig, weil nichts Besonderes in seinem Leben passiert. Zudem zeigt er sehr selten seine Gefühle, deswegen ist es schwierig, sich vorzustellen, was für eine Person er ist. Man bekommt einige Informationen über ihn. Er liest sehr gerne und hört gerne englische Musik. Auch kümmert er sich gerne um Pflanzen und macht im Park Fotos der Bäume. Zudem heißt ein Buch, das er gerne liest, "der Baum" (『木』). Er hat kein Interesse, viel Geld zu bekommen. Andere Menschen in der Stadt und seine Schwester haben Vorurteile gegen seine Arbeit. Seine Schwester meint, dass er in einer anderen Welt als ihrer Welt lebt. Der Film spielt darauf an, dass seine Vergangenheit dunkel und er nicht immer glücklich war. Es scheint mir, dass er trotzdem mit seinem jetzigen Leben zufrieden ist. Das Ende des Films hat mich beeindruckt, dass er, während Musik spielt, weint und lacht.

Gemischte Gefühle: Traurigkeit, Einsamkeit, Glück und Hoffnung 


Ich habe versucht, seine Emotion zu beschreiben und zu interpretieren, aber es ist nicht einfach, weil seine Gefühle mit der Traurigkeit, der Einsamkeit, mit der Glücklichkeit und der Hoffnung gemischt sind. Der Schauspieler, Koji Yakusho hat sie hervorragend ausgedrückt. Zudem hat die Musik in diesem Film eine große Rolle gespielt. Vor allem das Lied von Lou Reed „Perfect Day“ hat meiner Meinung nach gut zum normalen Leben von Hirayama gepasst. Sein Leben erscheint zwar vielen Menschen vielleicht langweilig, aber es ist für ihn etwas Einziges. Ich habe für den Bericht ein kurzes Video eines Interviews von Wenders gesehen. Er wolle gerne hören, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer glauben, dass ein deutscher Regisseur den Film gemacht hat. Die japanische Kultur ist anders als die deutsche Kultur, aber ich habe das Gefühl, dass viele Menschen auf der Welt unabhängig vom Unterschied der Kultur und der Sprache die gemischten Gefühle von Hirayama nachvollziehen können. Ich glaube, dass das Thema des Films universal ist. Der Film wurde bisher weder in Deutschland noch in Japan veröffentlicht. Ich möchte den Film weiterempfehlen, weil der Film den Menschen, die auf ihr eigenes Leben nicht stolz sind, eine Hoffnung geben kann.

Meine Veranstaltungen

Darüber hinaus habe ich während des Filmfestivals an drei Veranstaltungen teilgenommen. Wie ich schon erwähnt habe, war die Opening Ceremony sehr interessant, weil sie mein Interesse an den Filmen geweckt hat. Denjenigen, die ein Filmfestival besuchen wollen, möchte ich vorschlagen, nicht nur die Filme zu schauen, sondern an möglichst vielen Veranstaltungen des Festivals teilzunehmen. Denn man kann bei den Veranstaltungen mit anderen Teilnehmenden die Meinungen zu den Filmen teilen und sich mit Filmemacherinnen und Filmemachern austauschen. Nach der Award Ceremony habe ich kurz mit einem koreanischen Filmregisseur gesprochen und ein gemeinsames Foto gemacht. Das war eine tolle Erfahrung für mich. Wegen anderer Kurse konnte ich dieses Mal leider nur drei Veranstaltungen besuchen. Aber je mehr Veranstaltungen man besucht, desto besser kann man die Atmosphäre des Filmfestivals genießen. Aber ich konnte glücklicherweise viele Filme mit Gästen sehen und den Diskussionen zwischen den Gästen und Zuschauerinnen und Zuschauern zuhören.

Viele Diskussionen fanden auf Deutsch und auf Englisch statt. Als ich im „Gloria“ einen Film gesehen habe, hat der Moderator uns gefragt, ob alle im Saal Deutsch verstehen. Eine Frau hat sich gemeldet und gesagt, dass sie kein Deutsch versteht. Dann haben die Gäste und der Moderator ins Englische gewechselt. Ich hatte das Gefühl, dass dies auch ein Merkmal des internationalen Filmfestivals ist: Die Gäste und der Moderator haben versucht, alle Zuschauerinnen und Zuschauer zu berücksichtigen und die Barriere der Sprache zu beseitigen. Bei der Award Ceremony wurde „Without Air“ mit dem Preis der „Jungen Jury“ ausgezeichnet. Ich war so froh, dass der Film, den ich gesehen habe, einen Preis gewonnen hat. Das Problem, das der Film gezeigt hat, ist noch vorhanden, aber er hat dazu beigetragen, die Situationen der unterdrückten Lehrkräfte ans Licht zu bringen.

Filme können meine Perspektiven erweitern

Es hat mir viel Freude gemacht, am Filmfestival teilzunehmen. Durch das Filmfestival habe ich erkannt, dass Filme meine Perspektiven erweitern können. Ich dachte, dass sie die Unterschiede der Sprachen und der Kultur überwinden können. Das Filmfestival hat das gezeigt und mich motoviert, weiterhin internationale Filme zu schauen. Die Diskussionen nach den Filmen haben mir Lust gemacht, mich mit den Themen, die die Filme zeigten, besser auseinanderzusetzen. Ich bleibe bis zum nächsten August in Deutschland. Bis dahin will ich viele Filme in Deutschland schauen. 

 

Über mich

Mein Name ist Nao Higashiguci. Ich komme aus Osaka, Japan. Vom Oktober 2023 bis zum August 2024 studiere ich als Austauschstudentin an der Universität Heidelberg. Meine Hobbys sind lesen und Filme schauen.